Folsäure und seine Wirkung bei Depressionen
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Depressionen lassen sich meist auf psychosoziale Ursachen oder auf Störungen im neurobiologischen Stoffwechsel zurückführen und dürfen nicht mit vorübergehenden depressiven Stimmungen verwechselt werden, unter denen fast jeder Mensch einmal oder mehrmals im Laufe seines Lebens zu leiden hat. Eine Depression äußert sich daher nicht nur in der Psyche, sondern auch in charakteristischen Veränderungen des Gehirn- und des Körperstoffwechsels. Beispielsweise lässt sich häufig eine verringerte Synthese bestimmter Neurotransmitter und Stresshormone feststellen.
In der Regel macht sich gleichzeitig ein Mangel an Folsäure und Vitamin B12 bemerkbar. Beide Vitamine haben großen Einfluss auf den Stoffwechsel der Botenstoffe im Gehirn und auf den Ab- und Umbau der für Nerven schädlichen Aminosäure Homocystein. Die Fachwelt ist sich nicht immer einig darin, ob die Störung der Synthese von Neurotransmittern und Stresshormonen Auswirkung oder Ursache einer Depression ist.
Wie kann Folsäure gegen Depressionen helfen?
Folsäure dient in seiner aktivierten Form im zentralen Stoffwechsel der Zellen als Überträger von Methylgruppen und anderer C1-Bausteinen. Ein relativer Mangel verursacht deshalb typische und laborauffällige Störungen bestimmter Stoffwechselprodukte. Charakteristische Auffälligkeiten lassen sich vor allem bei Depressionen feststellen. Folsäure ist wie auch alle anderen Vitamine kein Arzneistoff mit spezifischer Wirkung gegen Krankheitskeime oder gegen bestimmte Stoffwechselstörungen, sondern es handelt sich um einen Naturstoff mit zentraler Bedeutung für den Stoffwechsel der Zellen.
Die Wirkung des Vitamins besteht darin, dem körpereigenen Stoffwechsel wieder die Rückkehr zur Normalität zu verhelfen und damit die Erkrankung automatisch zu überwinden. Vor Beantwortung der Frage, ob Folsäure gegen Depressionen helfen kann, ist es wichtig zu wissen, auf welche der charakteristischen Stoffwechselmerkmale einer Depression Folsäure direkten Einfluss ausübt.
Welche Stoffwechselmerkmale sind charakteristisch bei einer Depression?
Häufig lassen sich bei diagnostizierten Depressionen Störungen im Zusammenspiel neuronaler Botenstoffe im Gehirn ausmachen. Im Einzelnen geht es um verschiedene Stresshormone wie Dopamin, Noradrenalin, Acetylcholin und anderen und um Serotonin. Vor allem machen sich ein niedriger Noradrenalin-Spiegel und eine verminderte Konzentration des „Glückshormons“ Serotonin bemerkbar. Noradrenalin spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung fast sämtlicher unwillkürlicher Körperfunktionen und bei der Aktivierung und Deaktivierung weiterer Botenstoffe, die für das Funktionieren der vegetativen Körperfunktionen wichtig sind. Serotonin hat eine entspannende, antidepressive, motivierende und schmerzhemmende Wirkung mit starkem Einfluss auf die Psyche.
Als weiteres charakteristisches Begleitmerkmal bei Depressionen gilt ein erhöhter Homocystein-Spiegel. Es handelt sich um eine Aminosäure, die im Stoffwechsel als Zwischenprodukt beim Umbau der Aminosäure Methionin entsteht. Erhöhte Homocysteinwerte sind schädlich für die Innenwände der Gefäße und erhöhen beispielsweise das Schlaganfallrisiko. Zudem ist Homocystein als schädlich für die Nerven (neurotoxisch) einzustufen und hat negativen Einfluss auf das Zusammenspiel der Neurotransmitter und Serotonin. Bei den oben beschriebenen labormäßig messbaren Begleiterscheinungen sind sich die Wissenschaftler nicht immer einig, ob die Begleitmerkmale Ursache oder Auswirkung einer Depression sind.
Auf welche biochemischen Begleitprozesse einer Depression hat Folsäure direkten Einfluss?
Folsäure hat nach Umwandlung in das bioaktive 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF) zusammen mit Vitamin B12 über eine weitere Zwischenstufe direkten Einfluss auf das Zusammenspiel bestimmter Botenstoffe im Gehirn. Beispielsweise wird die Umwandlung von Noradrenalin in Adrenalin ermöglicht und gesteuert. Ebenso beruht der Umbau von Serotonin in Melatonin auf der direkten Wirkung der Folsäure. Melatonin wird häufig auch als „Schlafhormon“ bezeichnet, weil es bei Dunkelheit gebildet wird und zu einem gesunden Schlaf verhilft. Melatonin muss im Gehirn synthetisiert werden, weil eine äußere Zufuhr an der Blut-Hirn-Schranke scheitern würde. Falls kein oder zu wenig Melatonin gebildet werden kann, kommt es zu Schlafstörungen.
Die diversen Stoffwechselvorgänge setzen einen intakten Methylzyklus voraus, der auf Zerlegung und Umbau von Homocystein in die Aminosäure Methionin beruht. Folsäure hat als Überträger von Methylgruppen auf den Methylzyklus direkten und entscheidenden Einfluss und damit auch auf den Abbau einer schädlich hohen Konzentration von Homocystein.
Können Depressionen durch einen Mangel an Folsäure verursacht werden?
Wie oben beschrieben, sorgt Folsäure zusammen mit Vitamin B12 über den Methylzyklus für eine niedrige Homocysteinkonzentration im Blut. Die beim Ab- und Umbau des Homocysteins frei werdenden Methylgruppen kommen der Synthese der wichtigen Aminosäure Methionin zugute. Unter der Voraussetzung, dass für den Stoffwechsel Folsäure in ausreichender Menge zur Verfügung steht, scheint auch das notwendige Zusammenspiel einiger Neurotransmitter im Gehirn gesichert zu sein. Weil einige der notwendigen biochemischen Umsetzungen hauptsächlich auf der Wirkung der Folsäure beruhen, ist der Umkehrschluss erlaubt, dass eine mangelhafte Versorgung mit Folsäure zu den charakteristischen Stoffwechselproblemen führt, die auch als Indikator für eine mögliche Depression dienen.
Norwegische Forscher haben nachgewiesen, dass Personen mit einem hohen Homocysteinspiegel im Blut doppelt so häufig unter Depressionen litten wie Personen mit normaler Homocysteinkonzentration. Es wurde bisher (noch) nicht einwandfrei geklärt, ob ein Folsäuremangel, der die bei einer Depression typischen biochemischen Begleiterscheinungen verursacht, auch gleichzeitig eine Depression auslöst. Die Statistik untermauert allerdings die These, dass der Folsäuremangel nicht nur die Symptome, sondern auch die Depression selbst auslösen kann. In einer ebenfalls norwegischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass die Teilnehmer mit hoher Homocysteinkonzentration, die an einer Depression litten, einen hochsignifikanten Folsäuremangel aufwiesen.
Folsäure in Kombination mit Medikamenten - sinnvoll bei Depressionen?
Die größte und am häufigsten verschriebene Klasse von Arzneimitteln gegen Depressionen bilden die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Serotonin spielt als Botenstoff bei der Übertragung von Nervensignalen an den Verbindungsstellen der Nerven, den Synapsen, eine wichtige Rolle. SSRI verhindern, dass das Serotonin von den Nerven wieder aufgenommen wird, so dass sich ihre Konzentration im synaptischen Spalt erhöht. Eine Supplementierung mit Folsäure sorgt für eine verstärkte Synthese von Serotonin, was die Wirkung der SSRI-Medikamente unterstützt, so dass deren Dosis im positiven Fall verringert werden kann. Vor allem konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass die Wirkung bestimmter Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bei gleichzeitiger Gabe von Folsäure deutlich beschleunigt wird.
Eine weitere Gruppe von Antidepressiva umfasst trizyklische und nicht-trizyklische Antidepressiva und Monoaminoxidase-Hemmer. Sie wirken weniger selektiv, weil sie gleichzeitig in den Stoffwechsel mehrerer Neurotransmitter eingreifen. Die Mittel können von erheblichen Nebenwirkungen begleitet sein. Es ist anzunehmen, dass auch hier Folsäure und Vitamin B12 die Wirkung der Medikamente unterstützt. Da keine wissenschaftlichen Studien über entsprechende Wechselwirkungen bekannt sind, empfiehlt es sich, zunächst mit Folsäure und Vitamin B12 die Blutwerte auf Normalniveau anzuheben, bevor unter strenger ärztlicher Kontrolle trizyklische oder nicht-trizyklische Antidepressiva verabreicht werden.
Fazit: Eine Erhöhung des Folsäurespiegels im Blut wirkt positiv bei Depressionen
Depressionen äußern sich außer durch psychosoziale Aspekte auch durch neurobiologische Merkmale wie eine niedrige Folsäurekonzentration im Blut. Das führt zu einer Funktionsstörung im Gehirn bei Neurotransmittern mit direktem Einfluss auf die Psyche wie Noradrenalin, Adrenalin und anderen sowie zu einer verminderten Ausschüttung des „Glückshormons“ Serotonin. Ein weiteres biochemisches Merkmal, das eine Depression meist begleitet, ist eine erhöhte Konzentration des für Nerven schädlichen Homocysteins. Die erhöhte Menge an Homocystein deutet auf einen gestörten Methylzyklus hin, der direkt von Folsäure abhängig ist. Fast alle biochemischen Marker einer Depression werden direkt von Folsäure beeinflusst.
Bei einer diagnostizierten Depression empfiehlt es sich, zunächst die Konzentration der Folsäure im Blut zu messen und bei Bedarf anzuheben. Je niedriger die Folsäurekonzentration war, desto positiver wirkt sich die Supplementierung der Folsäure auf die Depression aus. Häufig wird auch eine medikamentöse Behandlung mit Folsäure kombiniert, weil die Wirkung des Vitamins die Wirkung des Antidepressivums verstärken kann.
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