Fachleute sehen einen Folsäuremangel in der Bevölkerung

Folsäure spielt im zentralen Stoffwechsel der Zellen eine bedeutende Rolle. Es wird vor allem bei Wachstum und Zellteilungen benötigt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 300 Mikrogramm für gesunde Erwachsene und 550 Mikrogramm bei Schwangerschaft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland unter einem Folsäuremangel leiden, obwohl das Vitamin in vielen frischen, naturbelassenen Lebensmitteln reichlich vorhanden ist.

Ein leichter Mangel an Folsäure ist nicht immer als solcher leicht erkennbar, weil sich zunächst nur unspezifische Symptome einstellen, die auch andere Ursachen haben könnten. Typische Leitsymptome für Folsäuremangel sind beispielsweise Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit und depressive Verstimmungen. Letztlich kann eine Laboruntersuchung des Blutserums Klarheit über den momentanen Folsäure-Status geben. Als Normwerte im Blutserum gelten 3 bis 15 Nanogramm je Milliter. Es bleibt die Klärung der Fragen, warum es zur Unterversorgung der Bevölkerung in Deutschland kommt, welche Auswirkungen es hat und wie dem begegnet werden kann.

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Folsäuremangel und seine Ursachen

Folsäure findet sich in der bioaktiven Form von Tetrahydrofolat in den meisten grünen Pflanzen, also in Salaten und grünem Gemüse wie Brokkoli und vielen Kohlsorten in reichlichem Maße. Besonders hohe Gehalte an Folaten weisen auch Sonnenblumenkerne, Eigelb und Leberprodukte auf. Warum es dennoch häufig zu einer Unterversorgung im Organismus kommt, hängt von mehreren Faktoren ab.

Das Vitamin ist empfindlich gegen Hitze, UV-Licht und Sauerstoff, so dass je nach Zubereitung der Speisen ein großer Teil des Vitamins zerstört wird. Ein weiterer Grund für einen Mangel kann in der verminderten Aufnahmefähigkeit der Darmschleimhaut bei Vorliegen chronischer Entzündungen wie Zöliakie und Morbus Crohn begründet sein. Auch kann ein erhöhter Bedarf an Folsäure zu einer Unterversorgung führen. Besonders wichtig ist eine gute Versorgung mit Folsäure bei Frauen mit Schwangerschaftswunsch, um einer möglichen neuronalen Fehlentwicklung des Embryos innerhalb der ersten Schwangerschaftswochen vorzubeugen.

Folsäuremangel durch vermindertes Aufnahmevermögen oder erhöhten Bedarf

Folsäure ist der Synonym gebrauchte Begriff für viele verschiedene bioaktive Formen von Folaten mit gleicher Wirkung, die in natürlich belassenen oder milchsauer vergorenen Lebensmitteln vorkommen. Normalerweise werden die Folate, die sich im Nahrungsbrei befinden, von der Darmschleimhaut (Mucosa) im Dünndarm in leicht saurem Milieu aufgenommen. Zur Einschleusung in die Mucosa sind spezielle Eiweißmoleküle, sogenannte Folattransporter erforderlich. Eine chronische Entzündung der Schleimhaut des Dünndarms wie sie bei Morbus Crohn oder Zöliakie zu beobachten ist oder bei einer Störung des pH-Wertes im Darm kann sich eine verminderte Aufnahmefähigkeit für das essenzielle Vitamin einstellen. Es führt dann allmählich zu einem Folsäuremangel, auch wenn die Zufuhr über die Nahrung prinzipiell als ausreichend eingestuft werden kann.

Außer durch ein vermindertes Aufnahmevermögen von Folsäure im Darm kann ein relativer Folsäuremangel auch durch einen erhöhten Bedarf verursacht werden. Der häufigste Grund für einen ansteigenden Verbrauchs ist eine Schwangerschaft, weil das Wachstum des ungeborenen Kindes mit einer ungeheuren Menge von Zellteilungen und Replikationen der Erbsubstanz verbunden ist, für die das essenzielle Vitamin benötigt und aufgebraucht wird. Andere Gründe für ein Ansteigen des Bedarfs liegen häufig in Wechselwirkungen mit Medikamenten oder bestimmten Therapien sowie in exzessivem Alkoholgenuss.

Auch starke Raucher weisen in der Regel zu wenig Folsäure auf. Beispielsweise begünstigen Hämodialysen, bestimmte Zytostatika und Chemotherapeutika zur Krebstherapie und verschiedene Diuretika einen Mangel an Folsäure. Ebenso kann es im Rahmen einer Medikation mit bestimmten krampflösenden Mitteln zur Behandlung von Epilepsie zu einer Minderversorgung kommen.

Symptome und Auswirkungen eines Folsäuremangels

Ein chronischer Folsäuremangel führt zu einer verminderten Anzahl von roten Blutkörperchen (Erythrozyten), also zu anämischen Mangelerscheinungen, die sich zunächst in auffälliger Gesichtsblässe zeigen. Auf die geschwächte Sauerstoffversorgung lassen sich die meisten anderen körperlichen Symptome wie Konzentrationsschwäche, Übelkeit, Durchfall, Gewichtsverlust und in einigen Fällen auch eine auffallende Röte und Entzündungen an der Zunge (Glossitis) zurückführen. Ein chronischer Mangel an diesem B-Vitamin kann sogar Herzrhythmusstörungen und eine generelle Atemnot bewirken.

An psychischen Symptomen machen sich eine allgemeine Reizbarkeit und depressive Verstimmungen bemerkbar. Weitere Langzeitsymptome können sich aufgrund des erhöhten Homocysteinspiegels einstellen. Ein niedriger Folsäurespiegel ist meist mit erhöhten Homocysteinwerten gekoppelt, weil nicht genügend Folsäure für den Abbau des Homocysteins vorhanden ist. Ein chronisch erhöhter Homocysteinspiegel wird als einer der Hauptfaktoren für die Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen verantwortlich gemacht. Falls eines oder mehrere der oben beschriebenen Symptome auftreten, kann daraus aber keinesfalls zwingend abgeleitet werden, dass zu wenig Folsäure zur Verfügung steht. Für eine eindeutige Diagnose sind die beschriebenen Reaktionen zu unspezifisch, so dass im Zweifelsfall der Folsäurestatus labortechnisch abgeklärt werden sollte einschließlich des Homocysteinspiegels.

Seit den 1980er Jahren wurden weltweit Studien durchgeführt, die belegen, dass das Problem einer suboptimalen Versorgung mit Folsäure in Industrieländern weit verbreitet ist. Die Mangelversorgung bleibt meist unbemerkt, weil in der Regel kaum typische Begleitsymptome auftreten. Besonders problematisch kann sich der Mangel an Folsäure bei Frauen auswirken, die schwanger werden. Innerhalb der ersten 28 Tage nach der Empfängnis kann es bei dem sich entwickelnden Embryo zu einem sogenannten Neuralrohrdefekt kommen, der entweder zur Fehlgeburt oder zu schwerwiegenden neuronalen Entwicklungsstörungen führt.

In wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass die Rate von Neuralrohrdefekten je 1.000 Lebendgeburten sensibel auf die Versorgung mit Folsäure reagiert. Bei optimaler Versorgung mit Folsäure ließe sich die Rate von Neuralrohrdefekten wahrscheinlich halbieren wie das Beispiel USA und Kanada zeigen. Auf Deutschland bezogen könnten dadurch etwa 400 Fälle von Neuralrohrdefekten vermieden werden. Genauere Zahlen liegen nicht vor, weil ein diagnostizierter Neuralrohrdefekt in der Mehrzahl zu einem Schwangerschaftsabbruch führt, der statistisch nicht erfasst wird.

Wie könnte dem generell vorherrschenden Folsäuremangel durch übergeordnete Maßnahmen begegnet werden?

Nachdem in den 1970er und 1980er Jahren bekannt wurde, dass es einen Zusammenhang zwischen der Rate an Neuralrohrdefekten nach Beginn einer Schwangerschaft und der mangelhaften Versorgung mit Folsäure gibt, wurde das Thema weltweit unter Fachleuten diskutiert. Vor allem interessierte die Frage wie sich die Versorgung der Bevölkerung mit Folsäure durch administrative, staatliche Maßnahmen verbessern ließe. Die Befürworter verwiesen auf erhoffte positive Auswirkungen, während die Gegner vor möglichen Gefahren einer unkontrollierbaren Überdosierung warnten. Nach jahrelanger Abwägung der vorgebrachten Argumente betätigten sich die zuständigen Gesundheitsbehörden der USA und Kanadas als Vorreiter dazu, die Anreicherung von Weizenmehl und anderen Produkten mit Folsäure in einem bestimmten Verhältnis behördlich vorzuschreiben. Seit Januar 1998 werden Getreideprodukte in den USA mit 140 Mikrogramm Folsäure je 100 Gramm des entsprechenden Lebensmittels angereichert.

In den darauffolgenden Jahren machten die USA und Kanada positive Erfahrungen mit der Anreicherung. Die Rate der Neuralrohrdefekte bei Neugeborenen sank um etwa 50 Prozent. Auch nach 20-jähriger Erfahrung sind in den USA und in Kanada keine negativen Folgen der Anreicherung bekannt geworden. Mittlerweile (2018) sind über 70 Länder weltweit dem Beispiel der USA und Kanadas gefolgt. So dass in über 70 Ländern weltweit Getreideprodukte mit Folsäure angereichert werden, um einer allgemeinen Unterversorgung mit Folsäure vorzubeugen. Es handelt sich dabei mit Ausnahme Ungarns fast ausschließlich um Länder, die nicht der europäischen Union angehören. Die Mitgliedstaaten der EU und die europäische Kommission haben sich noch nicht auf ein einheitliches Vorgehen einigen können.

Fazit: Dem Folsäuremangel kann man durch angereicherte Lebensmittel und Supplementierung entgegenwirken

Seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass die Versorgung mit Folsäure für weite Teile der Bevölkerung suboptimal ist. In wissenschaftlichen Studien wurde belegt, dass sich bei einer optimalen Versorgung von schwangeren Frauen das Risiko einer Fehlgeburt oder einer Fehlentwicklung des Gehirns durch einen Neuralrohrdefekt in etwa halbieren ließe. Deshalb ist eine ausreichende Versorgung mit dem essenziellen B-Vitamin für schwangere Frauen zur Vorbeugung vor neuronalen Entwicklungsstörungen des Kindes besonders wichtig.

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In den USA und Kanada bestehen seit Ende der 1990er Jahre positive Erfahrungen mit behördlich angeordneter Anreicherung von Weizenmehl und bestimmten Getreideprodukten mit Folsäure. Die Zahl der Geburten mit gravierenden neuronalen Entwicklungsstörungen sank um etwa 50 Prozent. Weltweit sind es mehr als 70 Länder, die mittlerweile bestimmte Lebensmittel mit Folsäure anreichern. Innerhalb der EU ist es nur Ungarn, die bisher der Anreicherungspolitk gefolgt sind. Die Länder der EU haben sich noch nicht zu einer einheitlichen Beurteilung durchgerungen, geschweige denn zu einem einheitlichen Vorgehen.

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